Der direkte Schaden, den Alkoholiker in einer Familie anrichten können, ist schlimm genug. Sie sind beispielsweise dafür bekannt, wertvolle Gegenstände im Haushalt (wie sogar den Ehering) zu verkaufen, um ihre Sucht zu finanzieren und schließlich zu befriedigen. Aber vielleicht genauso schlimm ist der indirekte Schaden, den sie durch die Auslösung emotionaler Störungen verursachen. Co-Abhängigkeit ist eine der furchtbarsten unter ihnen. Aber was genau ist Co-Abhängigkeit und wie kann man sich davon befreien?
Die Anzeichen einer Co-Abhängigkeit
Die Organisation Namens Mental Health America beschreibt Co-Abhängigkeit als eine erlernte, generationsübergreifende Verhaltensauffälligkeit, die Betroffene daran hindert, gesunde Beziehungen zu führen. Sie betrifft Ehegatten, Geschwister, Freunde oder sogar Kollegen eines Suchtkranken.
Typischerweise werden die Bedürfnisse und Taten des Süchtigen so dominant, dass sich die Persönlichkeiten aller anderen in der Familie in Reaktion darauf entwickeln. Körperlicher, emotionaler und verbaler Missbrauch kennzeichnen ihre Beziehungen. Co-Abhängigkeit wird oft von Gefühlen wie Angst, Hass oder Gleichgültigkeit begleitet. Ursprünglich wurde Co-Abhängigkeit unter Familienmitgliedern von Alkoholikern identifiziert, aber alle Süchte können prinzipiell ähnliche Symptome herbeiführen.
Symptome
Die Gefühle, die die Co-Abhängigkeit mit sich bringt, werden in der Regel ignoriert oder verneint. Als Folge davon entwickeln Familienglieder emotionale Bewältigungsmechanismen, die es ihnen ermöglichen, ihre Bedürfnisse auszublenden oder zu unterdrücken. Andere Symptome sind:
Minderwertigkeitskomplexe
Betroffene tendieren dazu, sich als unwichtig zu erachten. Verwirrend wird das, wenn solche Personen dieses Gefühl in Arroganz umwandeln – dabei ist das nur ein Versuch, ihren wahren Zustand zu überdecken. Eigentlich glauben sie, innerlich keine Liebe zu verdienen. Ebenso ist Perfektionismus eine Reaktion, die manche Personen haben, um die Situation zu bewältigen – ganz nach dem Motto: Wenn ich alles perfekt regele, dann muss ich mich nicht mit meinem inneren Chaos auseinandersetzen.
Sich selbst verlieren
Co-Abhängige verspüren oft einen starken Drang, andere glücklich machen zu wollen. “Nein” zu sagen kommt nicht in Frage. Sie tun alles für ihr Gegenüber und vergessen oder vernachlässigen sich dabei selbst. In manchen Fällen verwischt die Grenze zwischen dem Selbst und den Ansprüchen von außen. Sie verlieren die Kontrolle über ihren Körper, Geld und sogar Gefühle und Perspektiven. Das wird besonders beängstigend, wenn sie sich für die Emotionen Anderer verantwortlich fühlen oder überhaupt nicht mehr zwischen sich und dem Süchtigen unterscheiden können.
Andererseits sind manche Co-Abhängige ganz verschlossen und in sich gekehrt, sodass Andere sie nur schwer emotional erreichen können. In manchen Fällen switcht der Co-Abhängige zwischen diesen beiden Zuständen.
Wie kann man sich davon befreien?
Wer eine oder mehrere der oben genannten Symptome in sich erkennt, sollte sich umgehend bei einem Psychologen melden. Aber für viele ist dieser Schritt zu groß. Bis dahin können die folgenden Techniken helfen, die Situation etwas zu lindern.
Ein Beziehungstagebuch
Co-Abhängigkeit fühlt sich oft an wie ein emotionaler Sumpf. Deswegen kann es helfen, Gefühle etwas konkreter zu machen, indem man sie schriftlich festhält. Das Ziel ist es, das, was man wahrnimmt so ehrlich wie möglich aufzuschreiben. Die Wirkung kommt dann, wenn man die Worte später liest nachdem man etwas Abstand von den Ereignissen gewonnen hat. Somit kann man Verhaltensmuster besser erkennen und sie möglichst ändern.
Nachrichten an sich selbst schreiben
Bei Co-Abhängigkeit verrutscht man sehr leicht in eine Art Kinderperspektive. Man lässt sich vom Süchtigen leiten und oder sogar missbrauchen. Kurzmitteilungen an sich selbst können dabei helfen, die Perspektive des Erwachsenen beizubehalten. Das Ziel ist, nicht in kindliche Verhaltensweisen zu verfallen, in denen man sich alles gefallen lässt, um Zuneigung zu bekommen. Beispielsätze sind: “Du bist ein Mensch, dem Würde und Respekt gebührt.” Oder: “Egal wie schlimm die Situation dir jetzt erscheint, es wird besser indem du handelst”.
Haben Sie schon einmal mit Co-Abhängigkeit gekämpft? Oder kennen Sie jemanden, der darunter gelitten hat? Was hat Ihrer Erfahrung nach geholfen? Wir wollen von Ihnen hören.