Meine Geschichte: Wie ich zu einer Beförderung kam, indem ich das Trinken aufgegeben habe

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Geschichte eines AlkoholikersGeschichte eines Alkoholikers

Womit am besten anfangen? – Wahrscheinlich mit einem Bekenntnis, das mir heute nicht mehr so schwer über die Lippen geht: ICH BIN ALKOHOLIKER.

Einmal Alkoholiker – immer Alkoholiker. Der Unterschied ist nur: trocken oder nicht trocken. Ich jedenfalls bin trocken und habe vor, das auch zu bleiben. Natürlich kann ich nicht dafür garantieren, aber wer kann schon in die Zukunft blicken. Aber ich tue etwas für mich und das hilft: einmal die Woche in eine Selbsthilfegruppe und einmal in einen offenen Gesprächskreis. Wer denkt, da wird nur über den „Stoff“ gesprochen, hat keine Ahnung. Eigentlich geht es in beiden Runden um Lebensbewältigung und Lebenskrisen, wie sie jeder jederzeit erleben kann. Und wie ich sie am eigenen Leibe erfahren habe und sie mir fast zum Verhängnis geworden wäre.

Lange Trinker-Karriere

Ich habe schon immer getrunken, jedenfalls seit der Oberstufe des Gymnasiums. Wir sind damals oft abgestürzt, haben also das gemacht, was man heute Komasaufen nennt. Allerdings musste ich nie in ein Krankenhaus zur Entgiftung. Eigentlich hätte ich zufrieden sein sollen, war es aber nicht. Denn beruflich bin ich gut vorwärts gekommen, habe ein abgeschlossenes Studium mit Promotion und einen gut bezahlten Job, bei dem auch mein Gehalt jährlich immer weiter stieg.

Andere wären hochzufrieden gewesen, ich aber nicht. Denn eigentlich war ich niemals mit dem zufrieden, was ich geleistet hatte, auch oder gerade dann, wenn andere mich lobten. Da war der „Freund“ Alkohol schon ein bewährter Helfer, mit ihm war es zu diesem Zeitpunkt noch prima möglich, mein angekratztes Selbstwertgefühl zu stabilisieren. Auch mit der Familie – ich habe zwei inzwischen erwachsene Kinder – hätte ich zufrieden sein sollen. Aber ich habe auch hier nicht aufgepasst – irgendwann hatte meine Frau meine Sauferei satt und die Scheidung eingereicht.

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Irgendwann lief es aus dem Ruder

Zu diesem Zeitpunkt ging die Abwärtsspirale erst so richtig los: keine Chance, ohne einen Liter Wein vorher zur Arbeit zu gehen, und immer mit der – trotz des intensiven Gebrauchs von Mundwasser und Kaugummi – naiven Meinung: „Das merkt ja keiner.“ Nun musste ich auch über den Tag immer mehr trinken müssen, damit die Stimmung nicht in den Keller ging. Ich war ein perfektes Beispiel für einen perfekten Spiegeltrinker, der auf der Arbeit noch funktioniert hat.

Nun denkt der „Alki“, der sich seine Sucht noch nicht eingestanden hat (oder es noch nicht konnte, was ja auch nicht so einfach ist), ein wirklicher Alkoholiker lebt als Parkpenner auf einer Bank mit seiner „Pulle“ Schnaps. Irrtum! Es gibt jede Menge Alkoholiker, die noch ganz gut funktionieren und nicht sonderlich auffallen, in allen Berufen und gesellschaftlichen Schichten. So einer war ich schließlich auch …

Sein oder Nichtsein

Dass ich noch gut funktionierte, dachte ich allen Ernstes und damit war ich auf dem bekannten Holzweg. Denn auf meiner Arbeitsstelle mit Kundenkontakten war mein Trinkverhalten aufgefallen. Hatte sich da einer beschwert oder war es den Kollegen aufgefallen? Heute frage ich mich: Wollte mir da vielleicht nur jemand helfen? Damals hätte ich das kategorisch verneint – ich brauchte doch keine Hilfe! Ich und Alkoholiker! Ich ging doch jeden Tag zur Arbeit und hing nicht unter Brücken herum. ICH NICHT. 

Ich weiß noch wie heute: Ein Betriebsrat kam, erwischte mich „auf frischer Tat“, bot mir aber Hilfe an. Obwohl ich Probleme erst einmal standhaft leugnete, war mir zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass etwas geschehen musste, wollte ich mich nicht zu Tode saufen. Ein Gespräch mit meinem Vorgesetzten gab mir dann den Rest, setzte er mir doch „die Pistole auf die Brust“ – Entzug oder Rausschmiss. Selbst wenn das nicht so einfach umzusetzen gewesen wäre, machte es Eindruck auf mein benebeltes Gehirn, denn nun drohte neben dem Verlust der Familie auch die Arbeitslosigkeit.

Therapie in die Trockenheit

Also Entgiftung und anschließend Langzeittherapie. Hier bekam ich fünf Monate die Gelegenheit, über meine Probleme und den dadurch ausgelösten Alkoholismus Klarheit zu bekommen. Kurz gesagt: Ich fand langsam mein verschüttetes Selbstwertgefühl wieder und begann, mein Leben zu reflektieren. Hatte ich erwartet, man würde mit dem Finger auf mich Alkoholiker zeigen, war ich (wie fast alle Betroffenen) überrascht: Die Reaktionen waren nie negativ, sondern lagen zwischen Akzeptanz und Zustimmung. 

Nach dem Klinikaufenthalt kam ich auf meine alte Stelle zurück. Alle wussten Bescheid und akzeptierten, dass ich keinen Alkohol trank. Wer trotzdem insistierte, dem erzählte ich von meinem Alkoholismus. Ich war überrascht, dass es auch ohne „Stoff“ ging – und das sogar sehr gut. Eigentlich hätte ich während meines Absturzes befördert werden sollen, nichts Großes, aber für mich sehr wichtig. Klar, dass ich das verspielt hatte.

Dann, anderthalb Jahre nach dem Klinikaufenthalt und seither trocken, kam eine Einladung zum Gespräch mit meinem Chef. Jetzt konnte ich entspannt ohne Mundspülung und Pfefferminz hingehen. Was mich da wohl erwarten würde? Zwei Dinge – die nun nachgeholte Beförderung und, fast noch wichtiger, eine Gratulation zu meiner Trockenheit. Eine erste Bewährungszeit war vorüber.

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