Als ich noch Student war, sah mich mein Mitbewohner eines morgens total schockiert an, während ich eine unbekannte Frucht auf den Frühstückstisch legte. Er nahm sie in die Hand, bewunderte ihre Dinosaurier-ähnliche Haut und weiches Fleisch. “Was ist das?” fragte er fasziniert. “Eine Avocado,” sagte ich, unsicher, ob er mich gerade veräppeln wollte. Das wollte er nicht, er kannte die birnenförmige Butterfrucht wirklich nicht.
Heute ist diese Szene fast unvorstellbar, denn die Frucht ist mittlerweile zu einem gastronomischen Superstar geworden – alleine bei Instagram gibt es mehr als 190.000 Einträge mit ihrem Ebenbild. Doch nicht nur fotografiert, auch gegessen wird sie gerne. Die Importmenge hat sich in der Bundesrepublik in weniger als zehn Jahren verdreifacht. Fast 60,000 Tonnen wurden im vergangenen Jahr ins Land gebracht.
Das ist auch verständlich. Avocados sind tatsächlich sehr gesund. Neben sämtlichen Vitaminen und Aminosäuren enthalten sie jede Menge ungesättigte Fettsäuren. Dazu regulieren sie auch noch den eigenen Cholesterinspiegel. Doch all diese Vorteile haben eine bisher recht unbekannte Schattenseite. Genießen Sie regelmäßig die ein oder andere Avocado, sollten Sie sich hierüber unbedingt informieren.
Ökobilanz
Die Ökobilanz gibt Auskunft über sämtliche Umweltwirkungen, die Produkte vom Anbau bis zum Verkauf mit sich bringen. Vorab muss man verstehen, dass es sich bei der Ökobilanz nicht nur um Wasserverbrauch oder Transport handelt, auch wenn diese Elemente in den meisten Fällen die größte Rolle spielen. Auch andere Faktoren müssen gleichermaßen in die Rechnung miteinbezogen werden.
Nimmt man das Beispiel von Kalorien, dann wird einem schnell klar, wie kompliziert alles werden kann: Wissenschaftler haben neulich festgestellt, dass fast dreimal so viel CO2 beim Essen von Salat ausgestoßen wird als beim Verzehr von Speck. Das liegt daran, dass Salat wenig Kalorien enthält. Tatsächlich müsste man zwei ganze Eisbergsalate essen, um die gleiche Kalorienmenge wie zwei Würstchen zu sich zu nehmen. Hinzu kommt das Problem der Verschwendung. Es ist viel wahrscheinlicher, dass Salat (verglichen mit einem Kotelett) schlecht wird bevor es Ihren Esstisch erreicht – all dies trägt zur Ökobilanz bei.
Bei Avocados ist Wasser allerdings in der Tat eines der Hauptprobleme. Der Anbau von Avocados bedarf circa 50 Liter pro Tag. Und da die cremigen Früchte nur in Ländern wachsen, in denen das Grundwasser sowieso schon knapp ist, müssen die Einwohner dort immer tiefere Brunnen bohren, was wiederum zur Senkung des Grundwasserspiegels führt. Hinzu kommen die synthetischen Dünger und Pestizide, die mit konventionellen Anbaumethoden einhergehen.
Kriminalität
In Mexiko werden Avocados umgangssprachlich oft “grünes Gold” genannt. Der Anbau konzentriert sich hauptsächlich in Michoacán – eine Region, die größtenteils vom Caballeros Templarios Kartell kontrolliert wird. Hier werden Bauern oft gezwungen, einen Teil ihres Einkommens abzugeben. Die, die nicht zahlen wollen, gehen das Risiko ein, dafür getötet zu werden. Aus diesen Umständen entstand auch der Begriff “Blut-Guacamole”.
Abholzung
Vor kurzem hat Greenpeace Mexiko alarmiert darauf hingewiesen, dass der weltweite Appetit auf Avocados Naturraum im nordamerikanischen Land zerstöre. Avocadobäume wachsen in der gleichen Klimazone wie Pinien- und Tannenbäume. Da Avocados aber gegen einen höheren Preis verkauft werden können, werden sämtliche Pinienwälder abgeholzt, um Platz für mehr Avocadobäume zu schaffen. Wie oben erwähnt, verbrauchen Avocadobäume sehr viel Wasser – deutlich mehr als Pinienbäume – was den Wasserverbrauch der Region weiter erhöht und den Grundwasserspiegel weiter senkt.
Eine solche Abholzung verstärkt auch wiederum die Kriminalität. Letztes Jahr hat die mexikanische Polizei ein Dutzend Verdächtige festgenommen, die Felder auf einer kürzlich abgeholzten Fläche anbauen wollte. In solchen schwer zu erreichenden Regionen entstehen häufig Verbrechersyndikate, sodass manchmal tausende Soldaten und Polizisten geschickt werden müssen, um die Region zu beruhigen.
Ferner hat die Abholzung soziale Folgen. 80 Prozent der mexikanischen Wälder gehören Dorfgemeinschaften – oder Ejidos, die zerstört werden, wenn intensive Landwirtschaft die Region destabilisiert.
Was tun?
Das waren schon ganz schön viele schlechte Neuigkeiten. Müssen wir unsere Vorliebe zu Avocados deswegen aufgeben? Nicht unbedingt. Wer die grüne Frucht genießen will, sollte dies in Maßen tun. Außerdem sollte man darauf achten, dass die Transportwege so kurz wie möglich sind: Am Besten kaufen Sie Avocados aus Spanien oder Israel. Der Bio-Siegel garantiert außerdem, dass beim Anbau keine synthetischen Dünger oder Pestizide verwendet wurden. Meistens führt der Siegel zu einem Aufpreis von 50 Cent, was in Anbetracht der Vorteile, relativ überschaubar ist.